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Chapter 100


Dengern wischte sich den Schweiß von der Stirn, ließ die Aufregung verebben, bevor er weitersprach.
"Es wäre nun vielleicht meine Pflicht gewesen, alles dies der Staatsanwaltschaft mitzuteilen und den Prozeß zu verhindern. Da ich aber meine Pflicht nicht mechanisch auffasse, tat ich dies nicht, sondern wartete die Entwicklung des ersten Prozeßtages ab, weil dadurch die Affäre viel rascher zum Abschluß kommen konnte als durch eine Wiederaufnahme der Untersuchung und Vertagung des Prozesses. Und außerdem wollte ich mir nun auch die exakten Beweise für das, was ich wußte, verschaffen. Dazu benützte ich den gestrigen Abend. Mit Recht nahm ich an, daß Fräulein Fröhlich mit ihrer Wirtin der Erstaufführung des Dramas im Kleist-Theater beiwohnen würde. Kaum hatten sie sich vom Hause entfernt, als ich in die Wohnung eindrang und das Zimmer der jungen Dame gründlich untersuchte. Das ging rascher, als ich gehofft. In einem Schubfach fand ich braune, rötliche, tiefschwarze Chignons, einen Zwicker mit Fensterglas und Geflechte aus Fischbein und Stoff, die ersichtlicherweise einen üppigen Busen vortäuschen sollten, wie ihn die angebliche Selma Cohen gehabt hatte. Zwischen den Löschblättern der Schreibunterlage auf dem Schreibtisch aber lag eine ausgeschnittene Anzeige, in der der Trödler Goldlust in der Chausseestraße seinen Vorrat an Frauenkleidung, Wäsche, Schuhen und so weiter anpries. Ich steckte noch ein vorgefundenes Lichtbild des Fräuleins Fröhlich ein, sowie das französische Buch und fuhr zu dem Trödler. Auch hier klappte alles. Der Trödler erkannte nach dem Bilde sofort die auffallend schöne, junge Dame, die vor etlichen Monaten wahllos die schäbigsten alten Sachen sowie etliche alte, defekte Handkoffer und Taschen bei ihm gekauft und sich alles nach ihrer Wohnung am Lützow-Ufer hatte bringen lassen. In seinen Büchern fand er auch ohne weiters den Namen und die Adresse des Fräuleins Lotte Fröhlich.
Ich wohnte der Premiere im Kleist-Theater bei, überzeugte mich in den Pausen, daß die Randbemerkung in dem französischen Roman nicht die Handschrift Hartwigs, sondern die einer Frau sei und sagte nach Schluß der Vorstellung Fräulein Fröhlich auf den Kopf zu, daß sie mit den verschwundenen Mädchen identisch und die Mitspielerin bei einer beispiellosen Komödie sei. Fräulein Fröhlich lachte hell auf, versuchte gar nicht zu leugnen, folgte mir in ein Weinrestaurant und erzählte mir dort frisch und frei die ganze Geschichte. Die junge Dame befindet sich im Gerichtsgebäude und wird ihre Aussagen vor dem hohen Gerichtshof wiederholen. Und auch Herr Hartwig wird ja nun wohl sprechen und es mir nicht übel nehmen, wenn ich ihm mit den Enthüllungen, die er machen wollte, zuvorgekommen bin!"