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Chapter 99


Fiebernd vor Erregung, fuhr ich zur Postdirektion, um dort die Stempel untersuchen zu lassen. Die Postdirektion hat für solche Zwecke außerordentlich feine, scharfe Vergrößerungsapparate und andere Vorrichtungen. Herr Oberpostrat Wüllner nahm sich der Sache an und untersuchte die Briefumschläge bei scharfer Beleuchtung unter dem Vergrößerungsapparat. Um ihn nicht zu beeinflussen, hatte ich ihm nicht gesagt, um was es sich handle. Nach wenigen Minuten teilte er mir mit, daß die beiden strittigen Briefe ganz zweifellos am zweiten Juni innerhalb des Postdistriktes SW 8 aufgegeben worden seien. Mich ergriff ein Schwindel, ich mußte mich an einen Stuhl anhalten, um nicht zu taumeln. Bat, mich selbst überzeugen zu dürfen, und sah alsbald im grellen Licht und unter dreißigfacher Vergrößerung deutlich und klar die durch den Stempelaufdruck hervorgerufene Trübung und Vertiefung im Papier der Marke, deren Konturen einen 2. VI. darstellten.
Es war also absolut jedem Zweifel entzogen, daß zwei der fünf Briefe am zweiten Juni, am Tage vor dem Erscheinen der Annonce, aufgegeben worden waren!"
Dengern stieß diese Worte laut hervor, seine Ruhe schien ihn verlassen zu haben, und das Publikum war nicht mehr zu halten, brüllte auf, schrie, gestikulierte. Minuten vergingen, bevor Joachim von Dengern weitersprechen konnte.
"Was bedeutete es, daß zwei der Verschwundenen die Annonce hatten beantworten können, bevor sie erschienen war? Einfach, daß sie im vollen Einverständnis mit dem angeblichen Mörder handelten, daß sie späterhin verschwinden wollten, daß die Briefe gefunden werden sollten und Hartwig als mutmaßlicher Mörder verhaftet werden mußte! Mit einem Schlag, blitzartig, im Bruchteil einer Sekunde stand nun alles weitere in mir fest:
Nicht um einen fünffachen Mord handelte es sich, sondern um eine fünffache Komödie, zu dem Zweck gespielt, Thomas Hartwig aus dem Dunkel emporzureißen, ihn zum Mittelpunkt einer ungeheuren Sensation zu machen, die logischerweise bewirken mußte, daß sein Roman gelesen, sein Drama aufgeführt werde! Und nun verstand ich es, warum sich niemand von den Angehörigen der angeblichen Müller, Möller, Jensen, Pfeiffer und Cohen melden wollte, warum Hartwig weder gestand noch leugnete, warum er die Erstaufführung seines Dramas mit dem Prozeß zusammenfallen ließ, warum das Mädchen mit den kleinen Füßen große Schuhe zurückließ, warum alle fünf mittelgroß waren. Diese fünf waren eben ein und dieselbe Person und diese eine Person konnte niemand anderer sein als die Braut und Geliebte Hartwigs, Fräulein Lotte Fröhlich."