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Chapter 74


Die glanzlosen, gleichgültigen Augen Dengerns belebten sich. "Was ist das größte Verbrechen, das der Mensch begehen kann?" lautete ein Thema in der Unterprima und Hartwig hatte es präzise, klar und logisch dahin bearbeitet, daß das verdammenswerteste Verbrechen die Vernichtung eines Lebens, der Mord sei. Durch den Mord, zu selbstsüchtigen Zwecken begangen, vernichtet man die ungeahntesten Möglichkeiten, begeht man ein Verbrechen gegen die ewige Harmonie der Natur, vergewaltigt man das Unverletzlichste. Jedes Verbrechen kann gesühnt und verziehen werden, nur der Mord nicht, weil der, der getötet wurde, nicht mehr Verzeihung gewähren kann. Man tötet einen Menschen und vernichtet dadurch nicht nur ihn selbst, sondern vielleicht auch eine große Idee, die dieser Mensch zum Segen der Welt entwickelt und ausgeführt hatte. Wehe der Mutter, die, um Not und Schande zu entgehen, ihr eben geborenes Knäblein tötet. Denn wer weiß, ob sie nicht in ihm einen neuen Heiland, nach dem die Welt lechzt, ermordet hat. Verzeihung allen armen Sündern, allen Gestrauchelten, allen Opfern eines unsinnigen sozialen Kampfes! Nur dem Mörder darf keine Verzeihung gegeben werden, weil fremdes Leben auslöschen, eine Welt vernichten heißt."
Da der Unterprimaner Hartwig im weiteren Verlaufe des Aufsatzes auch den Krieg als Massenmord verdammt hatte, bekam er ein "Ungenügend" mit dem Zusatz "Wenig patriotisch gedacht!"
Dengern aber war tief ergriffen, steckte das Heft ein, schnitt sein unergründlichstes Gesicht und machte einen ausgedehnten Spaziergang den Rhein entlang, um allerlei Gedanken zu ordnen, Mit Lotte Fröhlich hatte Dengern wieder Verbindung gesucht, aber nicht gefunden. Er hatte ihr auf der Straße aufgelauert und sie angesprochen. Lotte, schön und lieblich wie nur je, wenn auch ein wenig blaß, pfauchte ihn wie eine Wildkatze an:
"Gehen Sie mir aus dem Weg, Sie abscheulicher Mensch! Sie haben sich an mich wie ein Dieb herangeschlichen, um mich auszuforschen. Das ist niedrig und gemein!"
Dengern lächelte müde.