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Chapter 73


In Köln machte Dengern unschwer Jugendgefährten Hartwigs ausfindig, die mit ihm dort das Gymnasium besucht hatten. Und nach vielen Besprechungen mit ehrsamen Kaufleuten, einem Apotheker, einem Rechtsanwalt, einem Arzt und einem Bummler, der sich als Versicherungsagent durchschlug, entwickelte der Kriminalkommissär folgendes Bild von dem Knaben Hartwig:
Ein wenig zaghaft und zurückhaltend, aber nie Spielverderber. Hilfsbereit den weniger begabten Kameraden gegenüber, für die er, wenn es sein mußte, bis in die Nacht hinein Aufsätze verfaßte. Hartwig was als Knabe und Jüngling jeder Roheit unfähig gewesen, hatte bei ernsten Prügeleien stets vermittelnd eingegriffen, konnte aber jähzornig werden, wenn er Tierquälereien beiwohnte. Den Verkehr mit seinem besten Freund hatte er aufgegeben, weil dieser nicht davon ablassen wollte, Käfer und Schmetterlinge für seine Sammlung zu fangen und zu präparieren.
Dengern bekam vom Rektor des Wilhelm-Gymnasiums in Köln die Erlaubnis, die zu Bündeln verpackten, verstaubten und vermoderten Schulhefte der früheren Jahrgänge zu durchstöbern, um deutsche Schulaufsätze Hartwigs zu finden. Stundenlang suchte er auf dem Dachboden des Gymnasiums in Staub und Spinnetzen, bis er die Hefte fand, in die vor fünfzehn, sechzehn Jahren Thomas Hartwig seine deutschen Arbeiten geschrieben hatte. Mit ihnen eilte er in sein Hotelzimmer und las alle diese gequälten, unnatürlichen und lebensfremden Stilübungen durch, die die Schule unter den Devisen "Schuld und Sühne der Jungfrau von Orleans", "Das Leben ist kurz, spricht der Weise, spricht der Tor", "Wie verbrachte ich meine Osterferien?" und so weiter verlangt. Immerhin — manch kühner, origineller Gedanke fiel ihm auf, vor allem aber die meisterhafte Beherrschung der Sprache und das peinliche Bestreben, unpathetisch zu bleiben und der Phrase aus dem Weg zu gehen.